Jetzt muss ich hier doch noch einmal meinen Senf dazu geben. Wenn ich das jetzt tue, dann nur, um dir Martin den Bau eines historisch plausiblen Diorams zu vereinfachen.
Es geht mir hier nicht um Nietenzählerei oder Klugscheißerei. Dieses vorweg. Ich möchte hier nicht deine bisherige Arbeit schlecht machen. Das Haus gefällt mir sehr gut!
Nun nocheinmal zu den Problemen die ich hier sehe. Ich hatte darauf hingewiesen, dass das Haus für meinen Geschmack zu gut erhalten ist. Daraufhin, hast du Martin deine eigene Idee plausibel dargelegt, dass es sich um einen Vorort handelt.
Hierfür spricht, dass die Vororte weniger das Ziel der Bombenteppiche waren, als die Innenstadt und das Berliner Industriegebiet.
Dagegen spricht: Man darf sich solche Teppiche nicht als eine saubere Trennlinie zwischen Innenstadt und Vororten feststellen. Ein Beispiel: Friedrichshafen, der Sitz von ZF und MTU, wurde im Zweiten Weltkrieg als Rüstungsstadt ebenfalls bombardiert. Die Flieger kamen von der Schweizer Seite über den See geflogen. Bis heute finden sich im See immer wieder Bomben aus dieser Zeit. Diese liegen dort schätzungsweise zu Hauf herum. Warum? Der Abwurf der Bomben erfolgte manuell. War das Ziel erreicht, wurden die Bombenschächte von Hand geöffnet um die Bomben zu entladen. Hierbei war die Präzision lange nicht so hoch, wie sie es bei einem heutigen Drohnenangriff wäre.
Dies hatte auch zur Folge, dass nicht nur das, deutlich abgegrenzte Industriegebiet, sondern auch die gesamte (!!!) historische Altstadt Friedrichshafens zerstört worden war. Ähnliches findet sich auch in meiner derzeitigen Wahlheimat Freiburg i.Br. Bombardiert wurde hier der Güterbahnhof. Aber auch in der über 2 Kilometer entfernten Altstadt sind Häuser zerstört worden! Die Alliierten waren hier, nach der Bombardierung Londons verständlicherweise, wenig zimperlich. Zum Teil wurde die Bevölkerung auch absichtlich bombardiert um den "Durchhaltewillen" zu brechen. Hierbei handelte es sich in Freiburg um maximal zwei Bombenangriffe. Rechne dir das mal auf eine jahrelange Bombardierung der Berliner hoch...
Es mag also einige unzerstörte Häuser in Berliner Vororten gegeben haben, hättest du ein plakatives Diorama mit Wiedererkennungswert für den Laien darstellen wollen, wäre meine Wahl dennoch auf eine Ruine gefallen. Du hast dich anders entschieden. Alles gut. Die Option hast du definitiv. Stell dich aber darauf ein, dass hier immer wieder Rückfragen kommen werden.
Zum Thema Barrikaden: Da liegt nun der Kern des Problems. Ein Schutthaufen innerhalb einer intakten Straße ist nicht plausibel. Hier gebe ich Stefan recht, diese Meinung vertrete ich selber. Du hast hier nun zwei Möglichkeiten. Ich habe einmal meine bescheidene Literatur gewälzt:
Giebel, Wieland: 1945 in Berlin. Untergang, Aufbruch, 1. Auflage, Berlin 2014, S. 10-11.
Was sehen wir hier? Deutsche Zivilisten ziehen Karren mit Schutt. Es gab also scheinbar sehr wohl Transporte mit Schutt für die Errichtung von Barrikaden.
@ Stefan: Wusste ich auch nicht bis eben.
Aber: Du siehst auf den Bildern, dass diese Wägen von Hand gezogen wurden. Es ist daher nicht vorstellbar, dass Schutt aus der zerbombten Innenstadt bis in die Vororte transportiert wurde. Du könntest dennoch versuchen, das Bild unten rechts nachzustellen. Dies würde eine ansatzweise Erklärung liefern. Im Idealfall arbeitest du das Bild mit in den Sockel ein oder legst es dazu.
Eine andere Möglichkeit:
Archer, Lee; Kraska, Robert u.a.: Panzers in Berlin 1945, Old Heathfield 2019, S.104-105.
Du verzichtest auf die Pak, reißt die Straße auf und setzt hier einen "eingegrabenen" Panzer ein. Aus dem Schutt der sich nun ergibt, baust du eine kleine Barrikade. Diese Stellungen fanden sich jedoch vorzugsweise in der Umgebung des Regierungsviertels. Man müsste prüfen, ob es diese auch in den Vororten gab. Wenn du das Buch "Panzers in Berlin" besitzt, wirst du bei der Lektüre feststellen, dass in den Vororten oftmals einfach nur Panzer stationiert waren, die sich dann rasch in die Innenstadt zurückzogen (falls dies dann überhaupt noch möglich war). Es macht auch Sinn, so meine laienhafte Erfahrung in Militärstrategie, den Feind zunächst einmal ein stückweit in das umkämpfte Gebiet vordringen zu lassen und ihn dann einzukesseln, bzw. ihm im Häuserkampf wieder in den Rücken zu fallen. Diese Aufgabe fiel in den letzten Kriegstagen unter anderem dem Volkssturm und der Hitlerjugend unter Leitung von sogenannten "Frontschweinen" zu. Man müsste das aber noch einmal im Falle Berlins nachprüfen.
Mir ist ein Zeitzeugenbericht, den ich momentan aber nicht zitieren kann, da er am Bodensee liegt, bekannt: Eine Familie hatte sich in einem Berliner Vorort im Keller ihres Hauses versteckt. Als die Rote Armee vorrückte, tat sie dies
ohne nennenswerte Gegenwehr. Alle Keller wurden durchsucht, die Frauen vergewaltigt und die Soldaten zogen weiter in Richtung Stadtkern.
Ohne deine unbestritten spitzenmäßige modellbauerische Leistung schmälern zu wollen, der Hinweis: Suche dir beim nächsten Projekt am besten Vorbildfotos nach denen du arbeitest. Ich mache um das Thema Dioramen genau aus diesem Grund der Plausibilität einen großen Bogen. Hier will schon vor Baubeginn so ziemlich alles durchdacht und ein wenig historische Recherche erfolgt sein.
Abschließend noch einmal die Bitte meinen Beitrag als Tipp und nicht als Abwertung deines Projektes zu sehen.